Good News Plattformen
Nachrichten beeinflussen unsere Weltsicht, das ist unbestritten. Beeinflusst die klassische Berichterstattung und die damit einhergehende Nachrichtenauswahl auch die Art, wie wir uns verhalten? Was, wenn die Rezeption positiver Nachrichten uns dazu bringt, uns statt zu resignieren zu engagieren?
Als Jugendliche las ich im BRAVO Magazin von der brutalen Schlachtung von Robbenjungen wegen ihres Fells. Ich fühlte mich ohnmächtig angesichts der grausamen Bilder. Was konnte ich schon tun, um dieses Unrecht zu stoppen? Es gab ja Umweltorganisationen und auch sie schafften es offensichtlich nicht die Schlächter aufzuhalten.
Auch heute noch ist in den klassischen Medien die Berichterstattung geprägt von negativen Nachrichten. Muss das so sein? Natürlich ist es wichtig, über Krieg, Umweltkatastrophen, Hunger, Armut und Flucht zu berichten und über das Plastik in den Meeren. Jedoch hat die Art der Berichterstattung immer noch oft eine lähmende Wirkung auf mich. Es werden wenig Hintergründe und Zusammenhänge aufgezeigt und auch mögliche Lösungen sind in den Beiträgen oft nicht zu finden oder werden schnell wieder relativiert.
Mit diesem Gefühl der Ohnmacht bin ich nicht allein. So haben auch der Sender BBC3 mit dem Tag „Amazing Humans“, Huffington Post mit der Kategorie „Good“ oder Reddit mit Schlagworten wie „Uplifting News“ die „Wohlfühlnachrichten“ für sich entdeckt. Es entstanden aber auch in den letzten Jahren Nachrichtenplattformen, die sich sowohl positiven als auch konstruktiven Nachrichten verschreiben. Beispiele sind Perspective Daily in Deutschland, die Reporters d´Espoirs in Frankreich, Positive News in Großbritanien und nicht zuletzt auch The Good News Network in den USA.
Das Good News Network gibt es seit 1997. Nun stellt sich die Frage, ob das nicht einfach eine Realitätsverweigerung ist, sich auf diese Seite zu begeben und Nachrichten von Menschen zu lesen, die sich gegenseitig unterstützen und ja auch Cat Content ist dabei.
Die Menschen hinter Good News Network erklären ihre Motivation so:
„Thomas Jefferson sagte, die Arbeit von Journalisten sei es, exakt abzubilden, was in der Gesellschaft geschieht. Das Good News Network wurde gegründet, weil die Medien daran scheiterten über Positives zu berichten. … Während es für uns wichtig ist, informierte Bürger zu bleiben, besonders um verantwortliche Wähler zu sein, kann ein Übermaß an pessimistischen, deprimierenden Geschichten eine Wahrnehmung schaffen einer ‚kriminellen und Neid erfüllten Gemeinschaft‘ unverhältnismäßig zur Wirklichkeit. Die Menschen brauchen einen ausgewogene Medien-Diät, aber die Sender bieten zu viel Junkfood an – lokale TV Nachrichten in den USA im Besonderen.“
Weiter sagen die Verantwortlichen auf ihrer Website:
„Wir haben eine Gemeinschaft von Leuten aufgebaut, die begeistert sind von positiven Nachrichten, erpicht darauf miteinander zu arbeiten und sich der Bereicherung und der Inspiration von allem zu widmen. Wir schaffen einen Wechsel im öffentlichen Paradigma darüber was Nachrichten sein sollten.“
Die Gründerin von Good News Network Geri Weis-Corbley hat sich mit ihrem Team von Redakteur*innen daran gemacht, über außergewöhnliche Aktionen von Bürgerinnen und innovative Lösungen für die Probleme der Menschheit zu berichten und auch dafür negative Stereotypen der Öffentlichkeit in Hinsicht auf ethnische Herkunft, Regierungen, Politiker, Religionen, Unternehmen, Hollywood, öffentliche Schulen und Innenstädte zu zerstreuen. Die Ausrichtung der Plattform ist kommerziell. Damit will die Gründerin beweisen, dass sich auch gute Nachrichten auszahlen im Medienbetrieb.
Konstruktiver Journalismus zeigt Lösungsansätze
Die Journalist*innen schaffen also mit ihrer Berichterstattung ein Gegengewicht zu den sehr negativ ausgeprägten Nachrichten der klassischen Medien. Hier ein aktuelles Beispiel:
Der Spiegelartikel beschäftigt sich mit den Massen an Plastik in unseren Meeren. Es werden Hauptverursacher genannt und als Grund für die Verschmutzung wird die unsachgemäße Entsorgung angeführt. Hintergründe, warum soviel Plastik produziert wird, werden nicht genannt. Ebenso sind die Lösungsmöglichkeiten vage und die Zukunftsaussichten sind düster.
https://www.positive.news/2017/environment/28009/5-possible-solutions-ocean-plastics/
Das es Lösungsansätze gibt zeigt der minimalistisch gehaltenen Beitrag auf positive.news. Hier werden fünf mögliche Lösungen für das Problem des Plastikmülls in den Meeren aufgezählt, allem voran die Entwicklung nachhaltiger Alternativen. Auch werden Leser*innen darin bestärkt, Unternehmen auf ihre Verantwortung was den Plastikmüll angeht, hinzuweisen. Natürlich fehlen in diesem Beitrag Zahlen, Fakten und Zitate von Wissenschaftler*innen aber ich verlasse als Leserin die Seite mit einem besseren Gefühl und habe Lust mich über die Alternativen zu Plastik zu informieren oder vielleicht Unternehmen anzuschreiben. Was ist wichtiger: Journalistische Normen oder Empowerment?
Die Plattform, die dies möglich macht ist positive.news. Gegründet 1993 von Shauna Crockett-Burrows (1930 – 2012) unter dem Motto „Good journalism about good things“, wurde sie 2015 nach einer erfolgreichen Crowdfounding Kampagne zur Medien Kooperative, die von Leser*innen und Journalist*innen weltweit betrieben wird, wobei der Gewinn nach eigener Aussage in den Journalismus re-investiert wird.
Weiter schreiben die Betreiber*innen auf ihrer Webseite über die Crowdfounding Kampagne:
„Durch unsere #OwnTheMedia Crowdfounding Kampagne wurde Positive News 2015 eine ‚Gemeinschaftsunterstützender Verein‘ (eine Form der Kooperative)“ in die mehr als 1.500 Leute in 33 Ländern investierten, von 18 bis 89 Jahren, die alle das gleiche Mitspracherecht haben. Anstatt einem Medienmogul zu dienen, dienen wir den Vielen.“
Dabei versteht sich die Plattform als Vertreterin des konstruktiven Journalismus, der nicht Probleme ausklammert, sondern lösungsorientiert an die Berichterstattung herangeht.
Dazu möchte ich ein Video zeigen, in dem Seán Dagan Wood, der Herausgeber von Positive News über die Arbeitsweise und die Motivation der Plattform Auskunft gibt. Das Video ist in englischer Sprache.
Auch die deutsche Nachrichtenplattform „Perspective Daily“ ist eine Plattform nach dem Format des konstruktiven Journalismus. Dazu ein Beitrag der Sendung Zapp:
Gegründet ebenfalls nach einer erfolgreichen Crowdfunding Kampagne 2016, liegen die Artikel hinter einer Bezahlschranke. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 41 Euro im Jahr dafür ist die Plattform werbefrei.
Hier ein Artikel als Beispiel, dessen Link die Mitbegründerin Maren Urner für ein Interview mit der Huffington Post freigeschaltet hat.
Natürlich gibt es nun die Definitionsfrage: „Ist das noch Journalismus?“ Bei Perspective Daily sind so zum Beispiel Fachleute bestimmter Gebiete angestellt – also keine ausgebildeten Redakteure, die in Zusammenarbeit Artikel verfassen. Im konstruktiven Journalismus sollte laut Vertretern des klassischen Journalismus auch kein Kampagnenjournalismus betrieben werden. Ebenso sollten Lösungsmöglichkeiten nicht von den Journalisten selbst kommen sondern von Quellen. Ich verweise hier auf meine Diplomarbeit, wo erstens den Raum Internet als Raum für ein neues Mediensystem analysiere, was es möglich macht, das verschiedene Ansätze von Nachrichtenberichterstattung nebeneinander existieren können und ich verweise auf den Abschnitt in dem ich Kovach und Rosenstiel behandelt habe, welche sich mit dem Begriff der Objektivität und Ausgewogenheit im Journalismus auseinandergesetzt haben.
In diesem Sinne sind meiner Meinung nach Definitionsfragen hinten anzustellen, wenn wir erreichen können, Menschen wieder zu inspirieren und darin zu bestärken sich wieder mehr zu engagieren in unserer Gesellschaft. Wenn „positive news“ oder „constructive news“ nicht unter Journalismus oder Nachrichten zählen, dann können wir sie doch einfach als Neuigkeiten behandeln, die uns dabei helfen und bestärken Kraft zu sammeln für die nächsten Schritte, die es zu tun gilt, um die Welt zu retten.
Jana Burmeister, 28. Juli 2017
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