Die Medienunternehmen haben großes Interesse daran, ihre Glaubwürdigkeit zu wahren. Da ohne eine gute Reputation schlussendlich mit den Rezipienten die Werbekunden verloren gehen. Das Vertrauen des Publikums in den Wahrheitsgehalt der veröffentlichten Inhalte bestimmt ihren Wert mehr als Aktualität und Relevanz. Also sollte Glaubwürdigkeit das höchste Ziel der Medien sein.
Es gibt aber auch den Drang, die Nachricht vor allen anderen zu verbreiten, beziehungsweise die Nachricht zu verbreiten, die alle anderen Medien ebenfalls senden. Somit entstehen durch die ökonomische Abhängigkeit und den Wettlauf um Exklusivität Fehler, die die Glaubwürdigkeit schädigen und dem Ansehen der Medien schaden, wenn sie aufgedeckt werden. Deshalb haben sich Journalisten- und Verlegerverbände im Deutschen Presserat auf journalistische Normen verständigt. Sie sind in Deutschland als »Publizistische Grundsätze« oder auch »Pressekodex« bekannt und sollen die etablierten Medien davor schützen, ihre Glaubwürdigkeit und somit ihre Existenzgrundlage zu verlieren.
Auch in anderen Ländern, wie den USA sind vergleichbare journalistische Arbeitsnormen festgelegt. Als Beispiel sollen die Wirksamkeit der Grundsätze Objektivität und Ausgewogenheit näher beleuchtet werden. Kovach und Rosenstiel haben das Problem der Objektivität so formuliert:
»The concept of objectivity has been so mangled it now is usually used to describe the very problem it was conceived to correct.« 1
Sie beschreiben, dass Objektivität die Journalisten dazu bringen sollte, konsequente Methoden zur Prüfung von Informationen zu schaffen, so dass persönliche und kulturelle Vorurteile nicht die Glaubwürdigkeit ihrer Arbeit beeinträchtigen würden. Zu beachten ist aber, dass die Methode der Überprüfung objektiv ist und nicht der Journalismus an sich. Kovach und Rosenstiel kritisieren in diesem Zusammenhang die unparteiische Stimme, die von vielen Nachrichtenunternehmen angewendet wird. Sie sei kein journalistisches Prinzip, sondern würde nur suggerieren, dass eine objektive Methode angewendet wurde und lasse etwas Hohles entstehen. Journalisten, die Quellen suchen, die ihre Meinung repräsentieren und neutrale Stimmen nutzen um objektiv zu klingen, beteiligten sich an einer Art Täuschung, so schreiben sie in »Elements of Journalism«. 2
Auch die Norm der Ausgewogenheit kann zu einer Art Verzerrung der Berichterstattung führen. Kovach und Rosenstiel nennen als Beispiel die Berichterstattung über die globale Erwärmung. Die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler sei der Meinung, die globale Erwärmung sei eine wissenschaftliche Tatsache. In den US-amerikanischen Medien werde jedoch der Anschein erweckt, die wissenschaftliche Debatte wäre gleichmäßig in Überzeugte und Skeptiker aufgespalten. Dies wird durch gleichmäßig viele veröffentlichte Zitate beider Seiten suggeriert.3
Kovach und Rosenstiel kritisieren darüber hinaus die Isolation der Journalisten vom Publikum. Die Leser-Blatt Bindung ist für Zeitungsverlage sehr wichtig, da sie die Auflage sichert. Laut Studien würden Zeitungen und Fernsehen ihre Berichterstattung auf elitäre demografische Erhebungen stützen und dabei viele der Bürger ignorieren. Die Strategie, sich auf das größte beziehungsweise das wohlhabendste Publikum auszurichten, fördert die Isolation, da durch diese Zielstellung in Wahrheit der größte Teil des Publikums ignoriert wird. In Deutschland ist das durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen etwas abgefedert, aber dennoch von Belang, da auch diese Einrichtung sich immer mehr an der Quote orientiert.4
James Carey wird von Kovach und Rosenstiel in ihrem Buch zitiert, es hätte sich ein Journalismus entwickelt, der sich im Namen der Öffentlichkeit rechtfertigt, in dem aber die Öffentlichkeit keine Rolle mehr spielt, außer die des Publikums.5
Die Autoren zitieren außerdem J.N. Capella und Kathleen Hall Jamieson, die in ihrem Buch »Spiral of Cynicism« beschreiben, dass Journalisten den Fokus auf Motive öffentlicher Personen legen anstatt auf ihre Taten. Weiterhin würden sie sich mehr mit der Psyche und dem Selbstbild der Politiker beschäftigen als mit den Ergebnissen der öffentlichen Politik, die die Bürger betrifft. Bürger und Journalist isolieren sich durch diesen interpretativen Stil in zunehmendem Maße voneinander, was das Vertrauensverhältnis nachhaltig beeinflusst und die Desillusionierung des Publikums fördern kann.6
Die Konsequenz dieser Isolation ist die Unzufriedenheit des Publikums mit dem bestehenden Journalismus. Im alten System der Massenmedien blieb den unzufriedenen Rezipienten nur die Möglichkeit keine Zeitung zu kaufen oder Radio und Fernsehen auszuschalten. Diese Unzufriedenheit fusst vor allem in dem Gefühl nicht angesprochen zu werden. Dieses Gefühl wird oft dadurch verstärkt, dass die Journalisten zu rund zwei Dritteln aus einem mittelständischen Elternhaus stammen. 7 Sie bilden also keinen Spiegel der Bevölkerung. Dabei könnten verschiedene Perspektiven aus unterschiedlicher sozialer Herkunft und ökonomischen Status die Berichterstattung bereichern. Dieses breite Spektrum an Stimmen könnte durch das Internet bereitgestellt werden.
1Kovach; Rosenstiel 2001: S. 13
2Vgl. Kovach; Rosenstiel 2001: S. 72 ff.
3Vgl. Kovach; Rosenstiel 2001: S. 72 ff.
4Vgl. Bertram 2006: S. 135 ff.
5Vgl. Kovach; Rosenstiel 2001: S. 27 ff.
6Vgl. Capella; Jamieson zitiert aus: Kovach; Rosenstiel 2001: S. 54
7Vgl. Weischenberg; Malik; Scholl 2006: S. 347
Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-NichtKommerziell 4.0 international.
Schreibe einen Kommentar